Straßennamen

Rahel Hirsch

 

Rahel Hirsch (* 15. September 1870 in Frankfurt a. Main; † 6. Oktober 1953 in London), erste Medizinprofessorin in Preußen

Die Rahel-Hirsch-Straße liegt im Ortsteil Tiergarten und verläuft von der Willy-Brandt-Straße bis zur Hugo-Preuß-Brücke. Die Benennung fand am 16. Mai 2005 statt.

Rahel wird 1870 in Frankfurt/Main als Tochter des jüdischen Pädagogen und Bibelkommentators Mendel Hirsch geboren. Sie wächst mit 10 Geschwistern auf. Rahel besucht die Höhere Töchterschule in Frankfurt und macht in Wiesbaden 1889 ihr Lehrerinnenexamen.

Aber sie möchte lieber der Wissenschaft dienen und entschließt sich mit 28 Jahren für ein Medizinstudium. In Deutschland ist ein Studium für Frauen nicht erlaubt, daher geht sie nach Zürich. Dort sind Frauen bereits seit 40 Jahren an der Universität zugelassen. Ihr Staatsexamen legt sie 1903 in Straßburg ab und promoviert kurz danach zum Dr. med.

Sie erhält an der Charité in Berlin, eine der führenden medizinischen Forschungsanstalten, eine Anstellung. In dieser von Männern beherrschten Domäne hat Rahel kein leichtes Spiel. Den dauernden Anfeindungen hält sie jedoch Stand und setzt weiterhin ihre medizinischen Forschungen fort. Nebenbei betreibt sie in ihrer Wohnung am Schöneberger Ufer 31 eine kleine Praxis. Sie hält öffentliche Vorträge und schreibt für medizinische Fachzeitschriften. 1907 gelingt ihr der Nachweis oral eingenommener Stärkekörner im Urin, der unter dem Namen „Hirsch-Effekt“ bekannt wird und eine wichtige Funktion der Niere verdeutlicht. Allerdings misst man ihr von Seiten der Kollegen keinerlei Bedeutung bei.

1908 übernimmt sie die Leitung der Poliklinik der II. Medizinischen Klinik. Sie betreibt weiter medizinische Forschungen, obwohl ihre Zeit knapp bemessen ist. Schließlich wird ihr 1913 als erster Medizinerin in Preußen der Professorentitel verliehen.

Ein Lehrstuhl oder eine Dozentur bleibt ihr allerdings versagt. Ein weiterer Grund, die Charité 1919 zu verlassen, ist die finanzielle Behandlung: Man zahlt ihr kein Gehalt. Sie lebt von den Einkünften, die sie in ihrer Praxis am Kurfürstendamm 220 erzielt.

Rahel Hirsch will für mehr Aufklärung in Fragen der Hygiene und Ernährung sorgen. Sie setzt sich für vitaminreiche Ernährung und körperliche Ertüchtigung ein, die Grundvoraussetzungen für ein körperliches Wohlbefinden sind. Sie plädiert für die Abschaffung des Korsetts, welches bei Frauen gesundheitliche Schäden verursacht. Hirsch engagiert sich für die Belange von Frauen und schreibt einen Artikel über die Abhängigkeit der Frau vom Mann im Zusammenhang mit niedrigen Bildungschancen.

Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wird ihr die Kassenzulassung entzogen und die Behandlung „arischer“ Patienten verboten. Sie flüchtet 1938 in letzter Minute nach London zu Verwandten, wo sie von Almosen ihrer Freunde und von Arbeiten als Laborassistentin und Dolmetscherin lebt.

Ihr Studium sowie ihre Tätigkeit als Ärztin werden nicht anerkannt, und der Anforderung, das englische Medizin-Examen nachzuholen, ist sie mit 68 Jahren nicht mehr gewachsen. Eine Situation, mit der sie sich nur schwer abfinden kann. Rahel Hirsch leidet aufgrund der Erlebnisse im nationalsozialistischen Deutschland unter Wahnvorstellungen. Sie wird schließlich in London in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo sie 1953 im Alter von 83 Jahren völlig verarmt an einer Lungenentzündung stirbt.

Vier Jahre nach ihrem Tod greift Gerhard Volkheimer in seiner Habilitationsschrift die Befunde von Hirsch über die Durchlässigkeit der Nierenwand wieder auf und bestätigt sie. Er nennt diesen bewiesenen Vorgang nach seiner Entdeckerin den „Hirsch-Effekt“.

Der Staat Israel ehrt Hirsch mit der Aufnahme in die Galerie berühmter jüdischer Wissenschaftler in Jerusalem. Die Charité besinnt sich erst 1995 des Wirkens ihrer medizinischen Pionierin. Mit einer Bronzeplastik vor dem alten Hörsaal der Inneren Medizin der Klinik wird Rahel Hirsch geehrt. Sie ist auf dem Jüdischen Friedhof in der Nähe Londons beigesetzt.