Straßennamen

Cora Berliner

 

Cora Berliner (* 23. Januar 1890 in Hannover, † 1942), Wirtschaftswissenschaftlerin, Regierungsrätin und Wegbereiterin der sozialen Arbeit

Die Cora-Berliner-Straße verläuft südwärts am östlichen Rand entlang des Denkmals für die ermordeten Juden Europas bis zur Hannah-Arendt-Straße. Das Mahnmal liegt südlich des Brandenburger Tors, gegenüber dem Großen Tiergarten, auf einem Teil der ehemaligen „Ministergärten“. Dort, wo die neue Straße entstand, verlief vor der Maueröffnung der „Todesstreifen“.

 

Cora wird als fünftes und letztes Kind des jüdischen Handelsschuldirektors Manfred Berliner und dessen Frau Hanna in Hannover geboren. Sie entstammt einer Intellektuellenfamilie, aus der Coras Onkel Emil Berliner durch die Erfindung der Urform der Schallplatte und des Grammophons berühmt wurde. 1909 legt Cora ihr Abitur ab, was zur damaligen Zeit – auch für Mädchen aus bürgerlichem Hause – noch recht außergewöhnlich ist.

Nach einem Semester Mathematik studiert sie Nationalökonomie in Berlin und Heidelberg. Während des Studiums beginnt sie, sich für den neutralen (also weder zionistischen noch antizionistischen) Verband der jüdischen Jugendvereine Deutschlands (VJJD) zu engagieren. Ihr liegt es am Herzen, dass auch Mädchen Mitglieder der Jugendvereine werden dürfen, dass die jüdische Lehre und das jüdische Wissen verbreitet und die Hebräischkenntnisse verbessert werden und dass im Rahmen der ethischen Erziehung die Jugendlichen ihren Staatspflichten als Deutsche nachkommen.

Cora Berliners Arbeit im VJJD liefert ihr umfangreiches Material für die Doktorarbeit. 1916 promoviert sie mit Auszeichnung über „Die Organisation der jüdischen Jugend in Deutschland. Ein Beitrag zur Systematik der Jugendpflege und Jugendbewegung“.

Nach dem Studium arbeitet Berliner als Angestellte in der Stadtverwaltung Berlin-Schöneberg: sie ist mitten im 1. Weltkrieg für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zuständig. Weiterhin ist sie zunächst ehrenamtlich, dann als Erste Vorsitzende für den VJJD tätig.

Im Dezember 1919 wird Cora Berliner Beamtin des Reichswirtschaftsministeriums der jungen Weimarer Republik. Als einzige, noch dazu relativ junge Frau ist es nicht leicht für sie sich durchzusetzen. Sie überzeugt jedoch durch ihre hohe Sachkompetenz. Im Dezember 1920 begegnet sie einem der höchsten Beamten des Ministeriums, Dr. Hans Schäffer, mit dem sie in den folgenden Jahren eine enge Freundschaft verbindet.

Nach 4-jähriger Amtszeit wird Berliner Regierungsrätin und ein Jahr später Mitarbeiterin der Leistungsebene im Statistischen Reichsamt. 1927 geht sie für einige Monate nach London, um an der deutschen Botschaft als Beraterin der Wirtschaftsabteilung zu arbeiten. Im Jahre 1930 erhält sie einen Ruf als Professorin an das Berufspädagogische Institut in Berlin. Dort entsteht eine tiefe Freundschaft mit ihrer Kollegin Gertrud Kaufmann.

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wird sie als Jüdin aus dem Staatsdienst entlassen. Ihr Freund Hans Schäffer emigriert noch im selben Jahr mit seiner Familie nach Schweden. Auch Coras Schwestern verlassen das Land und reisen nach den USA aus, wo bereits die Brüder leben.

Nach der Verdrängung aus ihrem Beruf wird Cora Berliner Funktionärin jüdischer Organisationen. In der Reichsvertretung der deutschen Juden (ab 1939 Reichsvereinigung der Juden in Deutschland) und im Jüdischen Frauenbund arbeitet sie in leitenden Positionen.

Mehrmals verlässt Berliner Deutschland, um in Palästina die Lebensbedingungen der Auswanderer zu prüfen oder in Schweden die jüdischen Gemeinden zu veranlassen, Emigranten aus Deutschland aufzunehmen.

Obwohl oder gerade weil sie sich so für die Emigration anderer einsetzt, nimmt sie selbst keine Möglichkeit zur eigenen Auswanderung wahr. Sie lehnt ihre eigene Rettung mit dem Hinweis ab, sie könne nicht gehen, bevor sie nicht allen von ihr Betreuten geholfen hätte.

Nach der Pogromnacht im November 1938 wird die Reichsvertretung geschlossen und einige jüdische Männer verhaftet. Sie wurden jedoch bald wieder entlassen und die Reichsvertretung wieder geöffnet, denn der Auftrag der Behörde lautete, die Auswanderung der jüdischen Menschen zu beschleunigen. Zuletzt wohnt Cora Berliner in Wilmersdorf. 1942 wird sie mit anderen Mitarbeitern der Reichsvereinigung der Juden deportiert.

Ihre Freundin Gertrud Kaufmann ist eine der Personen, die am Bahnhof zuletzt Abschied von ihr nehmen. Wohin Berliner deportiert wird, ist unbekannt. Manche vermuten Theresienstadt, andere Minsk. Es gibt Hinweise darauf, dass sie mit anderen Deportierten in Maly Trostinez (in der Nähe von Minsk) ermordet wurde.