Paula Hertwig

 

Paula Julie Elisabeth Hertwig (* 11. Oktober 1889 in Berlin, † 31. März 1983 in Villingen-Schwenningen), Biologin

Paula Hertwig wird das wissenschaftliche Gen bereits in die Wiege gelegt. Ihr Vater, Oscar Hertwig, sowie ihr Onkel, Richard Wilhelm Karl Theodor Ritter von Hertwig, sind bedeutende Biologen. Ihre Mutter Marie ist die Enkelin des Theologen und Sprachforschers Wilhelm Gesenius. Auch ihr Bruder Günther Hertwig macht sich einen Namen als Anatom.

Paula wird 1889 in Berlin geboren. Zur damaligen Zeit waren die Türen der Gymnasien für Mädchen noch verschlossen. Paula legt daher ihre Abiturprüfungen als Externe am Sophien-Real-Gymnasium 1908 ab. Noch im selben Jahr wird der Weg frei für weibliche Studenten an den preußischen Universitäten. So hat sie die Möglichkeit, als eine der ersten Frauen in Berlin Chemie, Botanik und Zoologie zu studieren.

Mit ihrem Bruder Günther, mit dem sie stets eine enge Beziehung hält und dessen Interessen ebenfalls Zoologie und Entwicklungsbiologie umfassen, reist sie 1913 zwecks eines Forschungsaufenthaltes nach Neapel an die Zoologische Station, eine der ältesten (seit 1873) durchgehend bestehenden biowissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der Welt.

1914 bis 1915, nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, arbeitet Paula Hertwig als einzige Hilfskraft an der Seite ihres Vaters in dessen anatomisch-biologischem Institut.

Sie wird 1916 zum Dr. phil. promoviert. Weiterhin habilitiert sie 1919 als erste Frau an der Friedrich-Wilhelms-Universität und wird Privatdozentin für Allgemeine Vererbungslehre und Biologie an der Philosophischen Fakultät.

Bei Prof. Erwin Baur wird sie 1921 Assistentin an seinem Institut für Vererbungswissenschaften der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin.

Als außerordentliche Professorin für Vererbungslehre unterrichtet sie von 1927 bis 1945 an der Medizinischen Fakultät der Berliner Universität. Sie ist die erste unterrichtende Biologin an einer deutschen Universität.

Ihr wird 1940 die Leitung der Zoologischen Abteilung des Instituts für Vererbungslehre angetragen.

Politisch engagiert ist sie in der „Deutschen Volkspartei“, bei der sie 1918 Mitglied ist. 1933 wird sie Abgeordnete im letzten Preußischen Landtag für die „Deutsche Staatspartei“.

Zwar ist sie seit 1937 Mitglied des NS-Dozentenbundes, tritt allerdings nicht in die NSDAP ein. Dies trägt ihr den Ruf als „politisch unzuverlässig“ ein. Es wird ihr mit „Entzug der Lehrbefugnis“ gedroht, Paula Hertwig protestiert erfolgreich dagegen, kann aber eine Karriere über den Oberassistentinnen-Status hinaus nicht fortsetzen.

Bei einem Bombenangriff auf ihr Haus in Berlin-Grunewald im Jahre 1944 gehen unersetzliche Briefe, Schriften und die wertvolle Bibliothek der Familie verloren.

Nach dem Krieg folgt sie 1946 zusammen mit ihrem Bruder dem Ruf der Hallensischen Universität. Sie wird Professor an der Medizinischen Fakultät mit Lehrauftrag in Biologie und Vererbungslehre. Günther Hertwig wird Direktor des Anatomischen Instituts.

Das Biologische Institut für Medizin wurde speziell für Paula Hertwig als erstes in Deutschland gegründet, und wieder war sie die erste Frau in der Medizinischen Fakultät und von 1948 bis 1950 erste Dekanin.

1956 wird ihr der Nationalpreis der DDR zuteil, 1959 der Titel „Hervorragender Wissenschaftler des Volkes“. Ein Jahr später emeritiert sie. Sie lehrt und forscht weiter bis zu ihrem 70. Lebensjahr.

Als ihr Bruder 1972 stirbt, zieht sie nach Villingen im Schwarzwald zu Verwandten. Noch im selben Jahr erhält sie die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg.

Im Jahr 1983 stirbt sie in Villingen im Alter von 93 Jahren.

Neben Emmy Stein ist Paula Hertwig eine der Begründerinnen der Strahlengenetik. Die Oligodaktylie beim Menschen als Folge von Strahlenbelastungen wird als Hertwig-Weyers-Syndrom nach Helmut Weyers und Paula Hertwig bezeichnet.