Lise Meitner

 

Lise Meitner (* 17. November 1878 in Wien; † 27. Oktober 1968 in Cambridge) war eine österreichisch-schwedische Kernphysikerin

 

Lise Meitner wird als drittes von acht Kindern des Rechtsanwalts Philipp Meitner und seiner Frau Hedwig in Wien geboren. Obwohl beide Elternteile jüdischer Abstammung sind, werden die Kinder protestantisch getauft und ebenso erzogen. Sie wächst in einem bürgerlichen und intellektuellen Umfeld auf und interessiert sich schon als junges Mädchen für Naturwissenschaften. Da Mädchen an den Gymnasien noch nicht zugelassen waren, absolviert sie ihre Schullaufbahn an einer Bürgerschule und legt danach das Lehrerinnen-Examen in Französisch ab. Nach ihrer Vorbereitung auf die Matura im Selbststudium legt sie ihre Reifeprüfung 1901 im Alter von 22 Jahren am Akademischen Gymnasium in Wien ab.

Ihr gutes Abschlusszeugnis berechtigt Lise Meitner zur Aufnahme eines Studiums in den Fächern Physik, Mathematik und Philosophie an der Universität Wien.

1906 wird sie als zweite Frau an der Wiener Universität im Hauptfach Physik promoviert. Unmittelbar danach arbeitet sie für ein Jahr am Institut für Theoretische Physik in Wien.

Lise Meitner hat sich bereits während ihres Studiums mit Fragestellungen der Radioaktivität beschäftigt und interessiert sich für die Forschungen von Marie und Pierre Curie.

So geht sie im Jahr 1907 zur weiteren Ausbildung in der Radiophysik nach Berlin, wo sie vor allem die Vorlesungen von Max Planck besucht. Allerdings nur als Gasthörerin, denn Frauen werden in Preußen erst ein Jahr später zur Immatrikulation zugelassen.

Ebenfalls dort lernt sie den jungen Chemiker Otto Hahn kennen, mit dem sie dann die folgenden 30 Jahre eng zusammenarbeitet und lebenslang befreundet ist. Sie forscht mit Hahn in dessen Arbeitsräumen im Chemischen Institut der Berliner Universität in der Hessischen Straße in Mitte, allerdings ohne Bezahlung. Durch die Zusammenarbeit mit Hahn und die daraus resultierenden Forschungsergebnisse macht sich Lise Meitner in der Physik einen Namen und lernt unter anderen Marie Curie und Albert Einstein kennen.

Von 1912 bis 1915 arbeitet Lise Meitner als inoffizielle Assistentin bei Max Planck, und sie setzt ihre Forschungen in der von Hahn aufgebauten radioaktiven Abteilung des neu gegründeten Instituts für Chemie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem fort. Sie lässt sich zur Röntgenassistentin und Krankenpflegerin ausbilden und wird während des Ersten Weltkriegs ab Juli 1915 in einem Lazarett der österreichischen Armee an der Ostfront eingesetzt.

Bereits 1916 kehrt sie nach Berlin zurück und setzt ihre Arbeit mit Otto Hahn am Institut fort.

Zwei Jahre später erhält sie eine eigene radiophysikalische Abteilung mit festem Gehalt und wird Leiterin der physikalisch-radioaktiven Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie. Nach ihrer Habilitation 1922 bekommt sie auch endlich das Recht, als Dozentin zu arbeiten. 1926 wird sie außerordentliche Professorin an der Berliner Universität und damit erste weibliche Professorin für Physik in Deutschland überhaupt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wird ihr die Lehrerlaubnis entzogen, ihre experimentelle Arbeit am Kaiser-Wilhelm-Institut kann sie jedoch fortsetzen. Als Deutschland 1938 Österreich annektiert, wird Lise Meitner deutsche Staatsbürgerin und ist dadurch als gebürtige Jüdin besonders gefährdet. Otto Hahn sorgt sich um ihre Sicherheit und bereitet zusammen mit dem niederländischen Chemiker Dirk Coster ihre illegale Ausreise ins Exil vor. Über die Niederlande und Dänemark gelangt Lise Meitner nach Schweden, wo sie eine bescheidene Anstellung am Nobel-Institut für Physik erhält.

Sie bleibt mit Hahn in Briefkontakt und nimmt durch ihre schriftlichen Anregungen weiterhin an dessen Forschungsarbeit teil. 1939 liefert Lise Meitner in Zusammenarbeit mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch die erste theoretische Deutung für die Kernspaltung. Eine Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern zum Bau einer Atombombe lehnt sie kategorisch ab, sie bleibt während des Krieges in Schweden.

Für die eigentliche Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung wird Otto Hahn allein 1945 der Nobelpreis für Chemie des Jahres 1944 verliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hält Lise Meitner Gastvorlesungen im Ausland und tritt aktiv für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein. Ab 1947 übernimmt sie die Leitung der kernphysikalischen Abteilung des Physikalischen Instituts der Königlich Technischen Hochschule Stockholm.

In den Nachkriegsjahren werden ihr zahlreiche Auszeichnungen verliehen, so 1955 der Otto-Hahn-Preis und 1959 das Bundesverdienstkreuz. 1959 wird in Anwesenheit beider Namengeber in Berlin-Wannsee das Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung (seit 2009 Helmholtz-Zentrum Berlin) gegründet.

1960 zieht Lise Meitner nach Cambridge, wo ihr Neffe Otto Robert Frisch und ihr Bruder Walter leben. Dort stirbt sie als letzte von acht Geschwistern am 27. Oktober 1968, drei Monate nach Otto Hahn.