Erna Proskauer

 

Erna Proskauer, geb. Aronson (* 5. August 1903 in Bromberg, † 18. Januar 2001 in Berlin), jüdische Anwältin für Wiedergutmachungsrecht

Die älteste der beiden Töchter von Georg und Else Aronson möchte gerne Richterin werden. Durch ihren Vater, der Rechtsanwalt und Notar ist, wird sie schon früh spielerisch mit der Welt der Gesetze vertraut gemacht. Da Kanzlei und Wohnung sich im selben Haus befinden, transportiert sie seine Akten im Puppenwagen. Aus ihrem wohlbehüteten jüdischen Elternhaus und ihrer Heimat in Bromberg bei Posen muss sie mit ihrer Familie 1920 nach Berlin auswandern. Die Stadt Bromberg wird durch die Versailler Verträge fortan polnisch.

In Berlin macht sie 1922 ihr Abitur an der Fürstin-Bismarck-Schule in Charlottenburg (heute Sophie-Charlotte-Oberschule). Ernas Sinn für Gerechtigkeit und die Kindheit in der Kanzlei motivieren ihren Entschluß, gleich ihrem Vater Jura zu studieren.

Aus finanziellen Gründen studiert sie nur ein Semester in Freiburg und setzt ihr Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin fort. Um ihrem Vater zu helfen, gibt sie Privatunterricht für Kinder aus wohlhabenden Familien. Nachdem sie ihr erstes Staatsexamen abgelegt hat, beginnt sie am Kammergericht in Berlin ihr Referendariat. Hier lernt sie auch ihren späteren Ehemann, Dr. Max Proskauer, kennen. Noch bevor sie das zweite Staatsexamen ablegt, heiratet das Paar 1930. Erna macht ihr zweites Staatsexamen und möchte gerne Richterin werden, was damit verbunden ist, in den Beamtendienst übernommen zu werden. Sie erhält ihre erste Anstellung am Amtsgericht Schöneberg als unbezahlte Richtervertretung, danach die zweite beim Amtsgericht Zossen. Sie bekommt ein Sekretärinnengehalt für die Bearbeitung von Grundbuchangelegenheiten.

Die neuen Gesetze von 1933 verhindern, daß Erna Richterin wird. Juden wird der Beamtenstatus wie auch der Staatsdienst generell verwehrt, und so erhalten sie und ihr Mann, der ebenfalls Jude ist, Berufsverbot. Von nun an ist beiden die Existenzgrundlage entzogen. Sie emigrieren nach Paris. Ernas Versuch als Hutmacherin und der Aufbau einer Schuhcremefabrik scheitern. 1934 emigrieren die Proskauers nach Haifa in Palästina. Ihre Anwaltsdiplome sind hier wertlos, und die hebräische Sprache beherrschen sie nicht. Erna versucht sich mit Näharbeiten durchzuschlagen und später mit Bügeln und Wäschereidiensten. Die Arbeit ist sehr hart, und oft können die Kunden nicht bezahlen. Max Proskauer wird ernsthaft krank, und Erna muss auch seinen Teil der Arbeit übernehmen. Als Max endlich genest, entschließt er sich, die hebräische Sprache intensiv zu lernen, um sich für ein 3-jähriges Jurastudium zu immatrikulieren.

Inzwischen hat Else ihre eigene Wäscherei und verdient ein festes Gehalt. Das teure Sprachstudium lässt sich daher finanzieren. Max beendet sein Studium erfolgreich und kann sich ab 1947 als Anwalt in Haifa betätigen.

Richtig zuhause fühlt sich das Ehepaar Proskauer jedoch in Haifa nie. Sie beschließen 1953, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Nach 20 Jahren am Waschtrog hat die Arbeit bei Erna ihre Spuren hinterlassen. Im Alter von 50 Jahren beginnt Erna zum dritten mal, eine neue Existenz aufzubauen. Erna Proskauer hofft, endlich als Richterin tätig sein zu können. Sie prozessiert jahrelang um ihre Wiederaufnahme in den Justizdienst. In letzter Instanz wird entschieden, dass ihre Berufung als Richterin auch ohne ihre damalige Entlassung verweigert worden wäre, da zu der Zeit Frauen, die durch einen Ehemann wirtschaftlich abgesichert sind, nicht zum Richteramt zugelassen werden dürfen. Erst 1954 wird das Beschäftigungsverbot verheirateter Frauen im öffentlichen Dienst aufgehoben, und so bemüht sie sich schließlich um eine Zulassung als Anwältin für Wiedergutmachung und Notarin und übernimmt die Praxis eines ehemaligen Kollegen. Von ihrem Mann Max lässt sie sich nach 30 Jahren Ehe scheiden. Als er 1968 stirbt, übernimmt sie seine Anwaltskanzlei in der Müllerstraße/Wedding im Alter von 65 Jahren und praktiziert 20 Jahre bis zu ihren 85 Lebensjahr. 1995 erhält sie das Bundesverdienstkreuz für ihre „Verdienste um die Berliner Justiz“. Sie stirbt 2001 im Alter von 98 Jahren in Berlin. Ihre israelische Staatsbürgerschaft hat sie bis zum Tod beibehalten.