Helene Stöcker

 

Hulda Caroline Emilie Helene Stöcker (* 13. Dezember 1869 in Wuppertal, † 24. Februar 1943 in New York) war Sexualreformerin, Frauenrechtlerin, Philosophin, Publizistin, Pazifistin und Pionierin für Mutterschutz und Sozialreform.

Als ältestes von acht Geschwistern wächst Helene in Wuppertal auf. Ihr Vater, Peter Heinrich Ludwig Stöcker, wäre lieber Missionar geworden, betreibt aber statt dessen ein gutgehendes Posamentiergeschäft mit Werkstube. Durch Grundstücksspekulationen verliert er allerdings sein Vermögen. Täglich wird im Hause Stöcker eine Andacht gehalten. Diese christliche Gesinnung hat großen Einfluss auf Helenes Lebenswerk. So ist der Besuch eines Theaters in ihrem Umfeld unschicklich.

1889, gerade volljährig, verlässt Helene Stöcker ihr puritanisches Elternhaus. Sie zieht nach Berlin, um Lehrerin zu werden. Hier schließt sie sich der immer stärker werdenden Frauenbewegung und dem Frauenstudium an. 1893 legt sie ihr Lehrerinnenexamen für höhere Mädchenschulen ab. In den Jahren 1894 bis 1896 folgt der Besuch eines Gymnasialkurses.

Nach dieser Ausbildung erweitert sie 1896 ihre Kenntnisse durch ein Studium der Germanistik, Philosophie und Nationalökonomie. Für Frauen ist ein Studium an der Universität zu jener Zeit noch nicht zugelassen. Erlaubt ist eine Teilnahme als Gasthörer, allerdings ohne Studienabschluss und nur durch persönliche Erlaubnis des Dozenten.

Durch die Philosophie Nietzsches, mit der sie sich seit 1890 dank eines Besuches in Weimar beschäftigt, erstellt sich ihr ein neues Weltbild. Sie teilt einige seiner radikalen Ansichten über die Kirche, den Staat und die allgemeinen Moralvorstellungen und verarbeitet diese für ihr Ziel der sexuellen Befreiung der Frau aus wilhelminischer Doppelmoral und Prüderie.

An der Universität in Bern promoviert Helene Stöcker schließlich 1901/1902 nach einem einjährigen Studienaufenthalt in Glasgow zum Doktor der Philosophie und kehrt anschließend nach Berlin zurück.

Mit 24 Jahren veröffentlicht sie ihren ersten Aufsatz über „Die moderne Frau“ mit folgender Kernaussage: Die pekuniäre Unabhängigkeit ist die wichtigste Vorstufe jeder Art von Freiheit. Für die eigene finanzielle Unabhängigkeit arbeitet sie als Schriftstellerin und Dozentin.

Mit anderen radikalen Frauen der Frauenbewegung gründet sie 1902 den „Deutschen Verein für Frauenstimmrecht“.

Für die sexuelle Befreiung setzt sie sich aktiv ein. Sie plädiert für eine neue Ethik und dafür, dass Frauen auch außerhalb der Ehe ihre Sexualität frei ausleben dürfen. Weiterhin fordert sie die Straffreiheit der Abtreibung und der männlichen Homosexualität.

1905 gründet sie gemeinsam mit Lily Braun, Henriette Fürth und Werner Sombarth den „Bund für Mutterschutz und Sexualreform“, der unter anderem die rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder fordert. Es werden Heime für ledige Mütter und ihre Kinder eingerichtet. Der Bund engagiert sich ebenfalls für die frühzeitige sexuelle Aufklärung von Jugendlichen und die Abschaffung des Paragraphen 218.

Selbst vielen Frauenrechtlerinnen der damaligen Zeit ist diese liberale Einstellung zu Sexualität und Homosexualität zu radikal.

Helene Stöckers Engagement verlagert sich nach Ausbruch des ersten Weltkrieges auf die Friedensbewegung. Sie wird Mitglied im „Bund der Kriegsgegner“, setzt sich für das Recht zur Kriegsdienstverweigerung ein und tritt 1915 aus der Kirche aus, weil sie deren Haltung zum Krieg missbilligt.

Zusammen mit der Bildhauerin Käthe Kollwitz und anderen Frauen setzt sie sich 1925/1926 für einen Volksentscheid ein, der die entschädigungslose Enteignung der Fürsten fordert. Ebenso beteiligt sie sich am Volksbegehren gegen den Bau neuer Panzerkreuzer im Oktober 1928.

1931 stirbt bei einem Autounfall ihr langjähriger Lebenspartner, der Rechtsanwalt und Notar Dr. Brunold Springer. Das Paar lebte seit 1905 ohne Trauschein zusammen und wurde daher von der Öffentlichkeit heftig angegriffen. Die Beziehung blieb zu Helenes Bedauern leider kinderlos.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland sieht sich Helene Stöcker gezwungen, das Land zu verlassen. Zunächst flüchtet sie 1933 in die Schweiz, 1938 nach England und Schweden und 1941 über die Sowjetunion in die USA. Weiterhin engagiert sie sich schriftlich für Emigranten.

Im Alter von 73 Jahren stirbt Helene Stöcker mittellos in New York an einem schweren Herzleiden und Lungenkrebs.