Lotte Möller

 

Sophie Charlotte (Lotte) Juliane Möller (* 17. Juni 1893 in Koblenz, † 22. Juni 1973 in Göttingen), Hydrographin, Geographin, Meeresbiologin; erste Professorin für Meereskunde in Deutschland

Lotte wird in Koblenz geboren, ihr Vater ist Rechnungsprüfer am preußischen Landwirtschaftsministerium. Die Familie zieht nach Berlin, wo Lotte zuerst eine Privatschule und später ein Gymnasium besucht. 1914 macht sie ihr Examen als Lehrerin. Zusätzlich schreibt sie sich an der Universität Berlin ein. Lotte wird später sagen, dass ihr die Lehrerinnenjahre wegen ihrer Schüchternheit besonders schwer gefallen sind.

Während des Ersten Weltkrieges studiert sie Mathematik und Erdkunde. Sie begeistert sich für die Arbeiten Albrecht Pencks, Direktor des Instituts für Meeresforschung in Berlin. Der spätere Nobelpreisträger Max Planck erweckt ihr Interesse für Physik und Mathematik.

Als 1916 die männlichen Studenten eingezogen werden, übernehmen Möller und ihre Mitstudentinnen Temperaturmessungen am Sacrower See. Vom Oktober 1917 bis November 1918 arbeitet sie in einer Entwicklungsanstalt für telegraphische Technik. Während ihrer Vorbereitungszeit zum nächsten Examen nimmt sie Teil an den Gezeitenforschungen der Nordsee. 1920 schließt sie ihr Staatsexamen in Geographie mit Auszeichnung ab. Nach dem zweiten Staatsexamen im Frühling 1921 setzt sie ihre Untersuchungen der Gezeiten fort. Gleichzeitig unterrichtet sie in verschiedenen Schulen in Berlin. Während des Sommers hat sie Gelegenheit, ihre eigenen Forschungen und Messungen an Bord eines Schiffes im südöstlichen Teil der Nordsee weiterzuführen.

Im Februar 1923 wird ihr die Erlaubnis ihrer Schule zuteil, eine Beschäftigung als „außerordentliche Assistentin“ bei ihrem ehemaligen Dozenten Alfred Merz anzunehmen. Zwischen 1913 und 1933 gibt es nur 12 weibliche Assistentinnen an der Universität Berlin. Innerhalb eines Jahres kann sie sich auf ihre Doktorarbeit über die „Abweichungen der aktuellen Messungen des Ozeans“ (1924) vorbereiten. Lotte Möller hat Gelegenheit, Merz bei den Vorbereitungen der Deutschen Atlantik-Expedition des Vermessungsschiffes „Meteor“ in den Südatlantischen Ozean (1925 bis 1927) zu unterstützen.

Allerdings wird sie hier zum ersten mal als Frau diskriminiert. Die deutsche Marine verbietet weibliche Mitglieder. Lotte Möller ist qualifiziert, muss aber zu Hause bleiben. Sie übernimmt die Verantwortung über die Organisation der Lieferungen für die „Meteor“ und die Analyse der neuen nach Berlin gesandten Daten.

Als großes Privileg wird ihr vom deutschen Marine Board Gelegenheit gegeben, die Forschungsflotte an Bord eines Steamers während einer Reise ins Mittelmeer 1926 zu begleiten, wo sie meteorologische Messungen ausführt. Während des Sommers 1927 nimmt sie Teil an einer touristischen Kreuzfahrt zum Nordkap Norwegens. Auf dem Rückweg legt sie einen Stopp in Bergen (Norwegen) ein, um an dem berühmten Geophysikalischen Institut, dem europäischen Zentrum für Meereskunde, zu arbeiten. Hier forscht sie über die inneren Wellen der Fjorde.

Nach dem Tod von Alfred Merz 1925 zu Beginn der Meteor-Expedition setzt Lotte Möller sein wissenschaftliches Vermächtnis fort und vollendet Tabellen und Diagramme der hydrografischen Untersuchungen des Bosporus und der Dardanellen. 1928 wird ihre Arbeit veröffentlicht und behält über Jahrzehnte ihre Bedeutung im Fach.

Im selben Jahr wird ihr Engagement in Bezug auf die „Meteor-Expedition“ mit der „Meteor-Medaille der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ ausgezeichnet, die auch die Expedition finanziert hat.

Jedoch Lotte Möllers älterer Kollege Georg Wüst, der 1928 vom Assistenten zum Kurator befördert wurde, fühlt sich zutiefst vernachlässigt, da Merz seinen Nachlass in einem Testament an Möller und nicht ihm vermacht hat, obwohl auch er ein Student Merzens war. Um jeglichen Ärger zu vermeiden, sieht sich Lotte Möller nach neuen Betätigungsfeldern um und entscheidet sich dafür, zur Kontinentalhydrographie zu wechseln, welche als neues Forschungsprojekt an den Universitäten angeboten wird.

Merz hatte noch vor seiner Abreise zur Meteor-Expedition Themen für Möllers und Wüsts Habilitation vorgeschlagen. Während Wüst der erste Deutsche ist, der in der Meereskunde habilitiert (1929), ist Möller die vierte Frau, die diese Habilitation einen Monat später in Berlin erhält, außerdem die erste weibliche Meereskundlerin überhaupt. Albrecht Penck erkennt, dass Möller vielseitiger ist als Wüst und lobt ihre Effizienz als Meereskundlerin sowie ihre große Erfahrung in Limnologie. Sie wird die erste Privatdozentin für Hydrografie, die über laufende und stehende Gewässer unterrichtet.

Am Institut ist sie hauptsächlich verantwortlich für die praktischen Kurse der Studenten am Sacrower See. Hier hat sie im Oktober 1927 eine kleine Feldstation errichtet. Der See hat die Funktion einer Schnittstelle zwischen Limnologie und Meereskunde. Die Ergebnisse ihrer Forschungen veröffentlicht sie zwischen 1931 und 1933.

Nach 1933 haben Frauen weniger Möglichkeiten, in der Forschung zu arbeiten. Möller ist von ehemals sechs weiblichen Assistentinnen die einzig Übriggebliebene am Institut für Naturwissenschaften. Als Wüst der NSDAP beitritt, empfehlen ihr die Kollegen, dies ebenfalls zu tun, damit Wüst ihr politisch keine Steine in den Weg legen kann. Sie tritt der Partei noch im selben Jahr bei und kann somit ihre Karriere fortsetzten.

Sie wird 1934 dauerhaft als Museumsdirektorin am Institut für Meeresforschung ernannt. 1935 ist sie die erste außerordentliche Professorin unter 47 männlichen Kollegen und 1939 erste außerplanmäßige Professorin, gleichzeitig erhält auch Wüst eine außerplanmäßige Professur. 1940 wird sie mit Pencks Unterstützung an die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle gewählt.

1941 erstellt Möller für die Oberste Marineleitung Gezeitenkarten um Helgoland. Ein Atlas der hydrographischen Zustände des Golfs von Biskaya folgt im selben Jahr. Als die in den 30er Jahren vorgeschlagene Abteilung für Kontinentalhydrographie endlich im April 1942 genehmigt wird, um Materialien für den Krieg in den besetzten Ostgebieten auszuwerten, will Albert Defant, Direktor des Instituts und Museums für Meereskunde, Möller als Direktorin der Abteilung. Vom Ministerium wird schließlich Wüst ernannt. Lotte Möller wird stattdessen Leiterin der neuen Abteilung und übernimmt die ehemalige Position von Wüst als Gruppenleiterin. Als finanzielle Entschädigung erhält sie einen Lehrauftrag für Kontinentalhydrographie.

Als eine Verbindung der russischen Wasserwege mit dem Weichsel-Dnepr-Kanal im besetzten Polen geplant wird, führt Lotte Möller 1942 die Vorbereitungen des Berichtes über die Bug-Pripjat-Region. Zurück in Deutschland übernimmt sie die Verantwortung für die Konditionen der Flüsse Spree und Havel für das Hydrographische Institut in Potsdam. Später wird sie zur Nautischen Abteilung der obersten Seefahrtabteilung berufen, um Messungen der Gezeiten und Strömungen vorzunehmen.

Nach dem Krieg ist Lotte Möller die einzig übrig gebliebene verantwortliche Staatsbeamtin am Institut, wegen ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP wird sie am 29.12.1945 fristlos entlassen. Lotte verlässt Berlin und zieht nach Göttingen, wo sie einen Forschungsauftrag für die „Akademie für Raumforschung und Landesplanung“ bekommt.

1950 bemüht sie sich um eine Frühpensionierung, weil sie sich mehr ihren wissenschaftlichen Forschungen widmen will. Die Bitte wird abgelehnt. Im Sommersemester 1952 erhält sie einen unbezahlten Lehrauftrag an der Universität Göttingen, forscht aber weiter an ihren regionalen Analysen über die Substanzen des Grundwassers. 1956 wird sie zur außerplanmäßigen Professorin für Geographie und Hydrographie ernannt. 1957 bis 1958 lehrt sie Limnologie an der Universität in München. Danach zieht sie sich endgültig aus der Berufswelt zurück. Sie verliert allmählich ihre Sehkraft und verbringt ihre letzten Jahre bis 1973 in Göttingen, wo sie am 22. Juni verstirbt.