Mathilde Carmen Hertz

 

Mathilde Carmen Hertz (* 14. Januar 1891 in Bonn, † 20. November 1972 in Cambridge), Bildhauerin, Biologin und Pionierin im Bereich der Komparativen Psychologie

Mathilde Hertz wird in Bonn geboren. Sie ist die zweite Tochter von Elisabeth Doll und des berühmten Physikers Heinrich Rudolf Hertz, dem Entdecker der elektromagnetischen Wellen. Die Familie ist wohlhabend und gebildet. Drei Jahre nach Mathildes Geburt stirbt ihr Vater im Alter von nur 37 Jahren. Ihr Abitur macht sie 1910 am Bonner Realgymnasium. Danach studiert sie Philosophie, entscheidet sich aber für eine künstlerische Ausbildung an der Kunstschule in Karlsruhe und Weimar. Sie arbeitet als Bildhauerin in Weimar, Berlin und München. Im Herbst 1918 erhält sie eine Stelle in der Bibliothek des Deutschen Museums in München. Bis 1923 verdient sie hier ihren Lebensunterhalt.

Nebenbei studiert sie in den Jahren 1921/1922 an der Universität in München Zoologie und Paläontologie. Sie promoviert 1925 mit der Dissertation „Beobachtungen an primitiven Säugetiergebissen“. Nach Beendigung ihrer Doktorarbeit lenkt sie ihre Aufmerksamkeit durch den Einfluss von Wolfgang Koehler, einem der Begründer der Gestaltpsychologie, auf das Gebiet der Tierpsychologie.

Sie zieht nach Berlin, um am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie ihre weiterlaufenden Studien zu beenden. 1929 erhält sie hier eine Assistentenstelle. Mit Unterstützung des Genetikers und Biologen Richard Goldschmidt führt sie in Berlin bald ihr eigenes Laboratorium. Ende 1929 reicht sie ihre Habilitationsschrift „Die Organisation des optischen Feldes bei der Biene“ ein. Diese wird von den Gutachtern als äußerst positiv bewertet. Im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Tierpsychologie gilt weiterhin ihre Aufmerksamkeit dem Verhalten von Raben, speziell der Sehwahrnehmung dieser Vögel. Später konzentriert sie sich auch auf andere Tiere und studiert zum Beispiel den blauen Eichelhäher, Einsiedlerkrebse und Fliegen.

Ihre bis dahin steile Karriere wird plötzlich unterbrochen, als das Naziregime 1933 an die Macht kommt. Auf Grund ihrer jüdischen Herkunft wird ihr die Lehrbefugnis an der Universität Berlin entzogen. Aber sie kämpft um ihre Anstellung am Kaiser-Wilhelm-Institut. So verweist sie in einem Schreiben an das zuständige Ministerium darauf, dass alle ihre acht Urgroßelternteile evangelisch getauft gewesen seien und es sich mütterlicherseits um Pastorenfamilien gehandelt habe. Nach mehreren Anträgen erreicht Max Planck, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und die unbestrittene Autorität der deutschen Wissenschaft, überraschenderweise eine Erlaubnis zur Weiterführung ihrer Arbeit im Labor. Dennoch ist die politische Situation für Mathilde untragbar, sodass sie kurze Zeit später nach Cambridge in England emigriert. Hier kann sie 1935 ihre Forschungen weiterführen. Ein Angebot der Columbia-Universität der USA schlägt sie aus.

In England ist sie allerdings mehr bekannt wegen ihres Vaters als durch ihre eigenen wissenschaftlichen Forschungen. Nach nur zwei Jahren an der Universität in Cambridge beendet sie ihre Publikationen und entzieht sich dem öffentlichen Leben. Mathilde Hertz lebt sehr bescheiden in den Nachkriegsjahren. Manche Besucher bezeichnen ihre Verhältnisse sogar als „armselig“. Aus Stolz will sie keine Wohltätigkeiten akzeptieren. Max von Laue allerdings setzt sich 1957 dafür ein, dass sie im Rahmen der Wiedergutmachung ein entsprechendes Ruhegehalt erhält. 1975 verstirbt Mathilde Hertz in Armut und relativer Einsamkeit in Cambridge.