Agnes Hacker

 

Agnes Hacker (* 1860 in Insterburg/Ostpreußen, † 8. August 1909 in Berlin) war Gynäkologin, Chirurgin und die erste Polizeiärztin bei der Berliner Sittenpolizei.

Agnes Hacker verbringt ihre Kindheit in Insterburg/Ostpreußen, wo sie die Schule für höhere Töchter besucht. Nach dem damals für Frauen üblichen Lehrerinnenexamen bereitet sie sich in Königsberg auf das Schweizer Abiturientenexamen vor. 1889 schafft sie es, sich an der Universität Zürich zu immatrikulieren. Zunächst studiert sie Geschichte, anschließend Medizin in Zürich und Wien. 1896 macht sie ihr Staatsexamen in Zürich. Wie viele weibliche Studentinnen ihrer Zeit hatte sie mit absurden Vorurteilen zu kämpfen. So musste sich eine ihrer studierenden Geschlechtsgenossinnen folgenden aufschlussreichen Kommentar von Heinrich von Treitschke, einem der einflußreichsten Historiker der Zeit, gefallen lassen: „Ein Student, der nicht saufen kann … niemals!"

Als Volontärärztin beginnt sie 1896 ihre medizinische Laufbahn an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, im Volksmund „Burghölzli“ genannt. Im folgenden Jahr erweitert sie ihr gynäkologisches Spezialstudium in Wien. Sie erwirbt Kenntnisse der operativen Techniken in einer wahren Männerdomäne der Chirurgie als Volontärärztin an der gynäkologischen Poliklinik des namhaften Frauenarztes und Geburtshelfers Max Sänger in Leipzig. Hier wird ihr große operative Geschicklichkeit attestiert.

1898 kann sie sich endlich als Ärztin in Berlin niederlassen, jedoch ohne deutsche Approbation. Nach einem Kurzaufenthalt bei Minna Cauer bezieht sie nun mit Anita Augspurg, die sie schon aus Zürich kannte, eine Wohnung in der Eisenacher Str. 80.

Agnes Hacker praktiziert als Ärztin bzw. Chirurgin an der Poliklinik weiblicher Ärzte in Berlin und später an der chirurgischen Klinik weiblicher Ärzte. Seitdem steigt die Zahl der Operationen deutlich an.

1900 bis 1905 ist sie die erste Polizeiärztin bei der Berliner Sittenpolizei und seit 1904 leitende Ärztin an der von Agnes Bluhm und Henriette Tiburtius gegründeten Pflegeanstalt für arme Frauen. Daraus entsteht später die Klinik weiblicher Ärzte für Frauen in der Karl-Schrader-Strasse 10. Agnes Hacker kommentiert dazu: „Der beste Arzt der Frau ist die Frau!“

Im Jahre 1908 öffnen schließlich die deutschen Universitäten als letzte in ganz Europa ihre Türen für weibliche Studenten. Längst hat Agnes Hacker ihren Operationssaal mit den modernsten Geräten ausgestattet und kann somit ihre Patientinnen nach den neuesten Methoden behandeln.

Diese Anschaffungen werden überwiegend von den Ärztinnen selber aus ihrem Privatvermögen finanziert. Agnes trägt den größten Teil dazu bei. Die Klinik liegt ihr so sehr am Herzen, dass sie auch ihre Wohnung in den Räumlichkeiten nimmt und ihr als „Hausärztin“ vorsteht.

Nebenbei engagiert sich Agnes Hacker auch sozial und politisch als Mitglied zahlreicher Vereine und ist Mitstreiterin in der frühen Frauenbewegung. Sie leitet als Ärztin die Bethabara-Beth-Elim-Stiftung in Weißensee, Vorläufer der heutigen Stephanus-Stiftung. In diesem Heim kümmert sie sich um aus der Haft entlassene Prostituierte. Durch Kurse und Vorträge kann sie junge Mädchen über medizinische Fragen aufklären. Als Sportlerin und Abstinenzlerin versucht sie mit gutem Beispiel den Frauen eine neue Lebensweise nahezubringen.

Es gelingt ihr allerdings nicht mehr, eine deutsche Approbation zu erlangen. Während der Vorbereitungen für die dafür nötige Staatsprüfung stirbt Agnes Hacker im Alter von 49 Jahren am 6. September 1909 in Berlin.

Ihr Tod bedeutet für die Klinik weiblicher Ärzte für Frauen einen deutlichen Niederschlag. Heute erinnert in der Karl-Schrader-Straße 10 nichts mehr an Agnes Hacker oder die Klinik.