Wanda Kallenbach

Wanda Kallenbach, Foto: F.Lonski
(geb. am 13.06.1902 in Jankendorf/Krenzoly/Polen, gest. am 18.08.1944 in Plötzensee), mutige Pazifistin/NS-Gegnerin

EINE FRAU VOR DEM VOLKSGERICHTSHOF:

Zu den neuen, noch ein wenig »verlorenen« Straßen in der Nähe von Ostbahnhof, Mühlen- und Warschauer Straße gehört seit dem Herbst 2006 auch die Wanda-Kallenbach-Straße. Erinnert werden soll mit diesem Straßennamen an die Ehefrau eines Arbeiters aus Berlin-Friedrichshain: Wanda Kallenbach gehörte zu den bis heute oft namenlos gebliebenen Opfern der NS-Diktatur, die für eine einzige Meinungsäußerung, für ihren offenen Zweifel oder ihre eingestandene Furcht hingerichtet wurden. Während des Zweiten Weltkrieges lebte Wanda Kallenbach, geborene Möhring, mit ihrem Ehemann Fritz Kallenbach, von Beruf Kraftwagenführer, und der 1933 geborenen Tochter in der Schreinerstraße 47.

Am 13. Juni 1902 in Jankendorf im Wartheland (heute: Krenzoly/Polen) geboren, war sie als junge Frau nach Berlin gekommen und hatte vor der Ehe als Hausangestellte und Packerin gearbeitet. Im August 1943 besuchte Wanda Kallenbach ihre Schwester im heimatlichen Dorf. Den Schrecken der durchwachten Berliner Bombennächte brachte sie mit. Und so beklagte sie sich bei alten und neuen Bekannten über Göring, der doch gesagt hatte, keine feindliche Bombe werde jemals Deutschland treffen. Auf die Frage, was die »kleinen Leute« denn tun könnten, meinte sie: Wenn alle streiken und die Soldaten die Waffen wegwerfen würden, sei bald Schluss mit dem Krieg. Und auf den »Hitlergruß« eines Dorfbewohners antwortete die Hauptstädterin, dass man für diesen Gruß in Berlin »eins in die Schnauze« bekäme. Wanda Kallenbach war längst wieder in Berlin, als die Gestapo sie am 20. Januar 1944 verhaftete. Sie war denunziert worden. Und es fanden sich noch weitere Vorwürfe: »Judenfreundlichkeit« und die Gewerkschaftszugehörigkeit vor 1933.

Am 20. April 1944 wurde gegen sie Anklage wegen »Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung« erhoben. Am 21. Juni 1944 stand sie vor dem Volksgerichtshof unter dem berüchtigten Ersten Vorsitzenden Roland Freisler. Der Verteidiger betonte ihre mangelnde Intelligenz und versuchte, sie auf diese Weise zu retten. Freisler verhöhnte die Angeklagte – so wie er es immer tat. Ein Fliegeralarm zwang alle Prozessbeteiligten – Juristen, Wachtmeister, die Angeklagte, Zeugen und Zuhörer – in den Luftschutzkeller. Zu den Zuhörern gehörte Dr. Harnisch, der Pfarrer der Samariterkirche. Er hatte das Kind von Wanda Kallenbach vorübergehend in seine Familie aufgenommen. Nun bat er im Keller den Anklagevertreter Dr. Bruchhaus um das Leben der Mutter. Aber wieder im Gerichtssaal, fiel nach kurzer Zeit das Urteil: Wanda Kallenbach wurde »um der Festigkeit unserer inneren Front und damit um unseres Sieges willen« zum Tode verurteilt. Ihr Ehemann und Pfarrer Harnisch gaben nicht auf: Der Ehemann legte ein ärztliches Attest vor, nach dem Wanda Kallenbach an seelischen Störungen litt. Pfarrer Harnisch schrieb an Hitler und bat wegen des Kindes um Gnade. Vergebens. Am 18. August 1944 wurde Wanda Kallenbach in Plötzensee hingerichtet.

Die Wanda-Kallenbach-Straße in Berlin-Friedrichshain erinnert an die mutige Pazifistin und NS-Gegnerin.


Quellen
gekürzte Fassung aus: Dietlinde Peters, »…und keiner kriegt mich einfach krumm gebogen…«, herausgegeben vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum, BERLIN STORY VERLAG 2014