Pauline Staegemann

Paulina Staegemann, gemeinfrei (GFDL)
(geb. am 18.03.1838 in Oderbruch, gest. am 05.09.1909 in unbekannt), Aktivistin in der Arbeiterbewegung

EINE DER ERSTEN DER BERLINER ARBEITERBEWEGUNG

Am 29. Juni 2011 wurde im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine Straße nach Pauline Staegemann benannt. Es wurde an eine Frau erinnert, die im 19. Jahrhundert im nahen Frauengefängnis Barnimstraße (…) inhaftiert war. Sie gehörte zu den »Politischen«. Geboren am 18. März 1838 in der Nähe von Oderberg im Oderbruch, ging sie mit achtzehn Jahren in die Stadt und arbeitete als Dienstmädchen. Das hinterließ keine Spuren, weder im Adressbuch, noch sonst, ein Leben für die Herrschaft, ohne Freizeit…, das Haus wurde durch den Dienstboteneingang, die Hintertreppe betreten.

Pauline Staegemann heiratete 1865 einen Maurerpolier, bekam vier Kinder und wurde früh Witwe. Sie lebte von 1872 bis etwas 1878 in der Neuen Königstraße 69 (heute: Otto-Braun-Straße), dort hatte sie als Ehefrau auch ein so genanntes Vorkostgeschäft, einen »Tante-Emma-Laden«. Als Witwe besaß Pauline Staegemann einen Gemüsekeller in der Landsberger Allee…

Bereits in den 1860er Jahren begann Pauline Staegemann, sich gemeinsam mit ihrem Ehemann in der Arbeiterbewegung zu engagieren. Ihr Gemüsekeller wurde zum Treffpunkt von Frauen und während des Sozialistengesetzes (also nach 1878) auch zur Zuflucht für Ausgewiesene und Verfolgte. Politische Versammlungen, für Frauen verboten, besuchte sie in Männerkleidern, ihre Kinder verteilten Flugblätter. Das preußische Vereinsgesetz (1850-1908) verbot den Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen. Pauline Staegemann gründete gemeinsam mit den heute ganz und gar vergessenen Frauen Berta Hahn, Johanna Schackow und Ida Cantius 1873 die erste sozialdemokratische Frauenorganisation und wurde deren Vorsitzende.

Der Berliner Arbeiterfrauen- und Mädchenverein wehrte sich gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, gründete einen Fonds für in Not Geratene und unterstützte die Sozialdemokraten. Bereits 1877 wurde der Verein endgültig nach dem preußischen Vereinsgesetz aufgelöst. Anfang 1885 gehörte Pauline Staegemann zusammen mit Emma Ihrer (1857-1911) zum Vorstand des von Gertrud Guillaume-Schack (1845-1903) in Berlin gegründeten Vereins zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen. Der Verein kämpfte u.a. für die Lohngleichheit von Männern und Frauen. Bereits ein Jahr später wurde er verboten. Nach der Neugründung im Jahr 1893 besaß er bald 1000 Mitglieder und wurde zum Vorbild für Vereine in anderen Städten. Dem Verein durften laut Statut nur »Frauen und Mädchen« angehören, Männer waren zu seinen Versammlungen nicht zugelassen. Den Frauen ging es um die Regelung der Lohnverhältnisse, gegenseitige Unterstützung bei Lohnstreitigkeiten, Aufklärung durch fachgewerbliche und wissenschaftliche Vorträge…

Nach dem Motto: »Können wir nicht wählen, so können wir doch wühlen!«, beteiligten sich viele Frauen an den Wahlkämpfen…Die Frauen lasen das 1879 in der Schweiz erschienene Buch »Die Frau und der Sozialismus« von August Bebel, das während des Sozialistengesetzes in das Deutsche Reich geschmuggelt wurde – und erst dann Karl Marx. Pauline Staegemann stand mehrmals aus politischen Gründen vor Gericht und wurde zu Geldstrafen verurteilt und mehrmals inhaftiert. Während der Zeit des Sozialistengesetzes (1878-1890) hatten sich die Frauen oft privat getroffen – manches »Kaffeekränzchen« war eine politische Versammlung. Die gewerkschaftliche Frauenarbeit begann 1890. Als alte Frau wurde Pauline Staegemann noch Mitglied in einem Frauenbildungsverein.

Am 5. September 1909 starb sie nach langer Krankheit. Die älteste Tochter von Pauline Staegemann, Elfriede Ryneck (1872-1951), wurde ebenfalls Sozialdemokratin.

Und heute? Seit 2004 verleiht die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) Brandenburg alle zwei Jahre den Pauline-Staegemann-Preis.


Quellen
gekürzte Fassung aus: Dietlinde Peters, »…und keiner kriegt mich einfach krumm gebogen…«, herausgegeben vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum, BERLIN STORY VERLAG 2014