Grete Mosheim

Grete Mosheim, Landesarchiv Berlin, gemeinfrei (GFDL)
(geb. am 08.01.1905 in Berlin, gest. am 29.12.1986 in New York), Künstlerin - Schauspielerin

DAS »VEILCHEN AUS KREUZBERG«
Die Schauspielerin Grete Mosheim wurde als Tochter des jüdischen Arztes und Sanitätsrates Dr. Markus Mosheim und seiner Ehefrau Clara am 8. Januar 1905 in Berlin geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie am Moritzplatz. Hier war die Praxis ihres Vaters, hier lebte die Familie: Ende des 19. Jahrhundert in der Oranienstraße 58 und seit 1902 in der Prinzenstraße 40, nicht weit vom Warenhaus Wertheim. »Dass Grete Mosheim in einem Mediziner Haushalt im Arbeiter Bezirk Kreuzberg aufgewachsen ist, war immer zu spüren«, sollte »Die Zeit« ein ganzes Leben später, 1987, in ihrem Nachruf schreiben. Man hörte es an ihrem »herrlich klaren, aufklärenden Berliner Wahrheits-Ton«.
Grete Mosheim wollte zuerst Balletttänzerin werden. Für eine Arzttochter, die das Lyzeum absolviert hatte, war »die Bühne« – egal ob Schauspiel oder Tanz – eigentlich nicht üblich, aber die Eltern Mosheim förderten die Ambitionen ihres Kindes. Grete Mosheim sprach Max Reinhardt vor und besuchte die Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin. Im Jahre 1922, mit nur 17 Jahren, wurde sie Mitglied des Ensembles des Deutschen Theaters und sollte es bis 1931 bleiben. 1931/32 spielte sie am Lessing-Theater und am Theater Die Tribüne, dann am Metropoltheater und 1933/34 im Komödienhaus und an der Volksbühne. Den schweren Weg durch die Provinz musste »die Mosheim« nicht gehen. Der berühmte Theaterkritiker Julius Bab suchte »die Berlinerin« auf der Bühne und fand die »Berliner Range«:
»Das ist ein junges Menschenkind weiblichen Geschlechts, ausgezeichnet durch eine gänzlich unsentimentale Energie, durch respektlosen Mutterwitz und unpathetische Lebenslust. Ein weibliches Wesen, das ganz bestimmt seine Reize und Verdienste hat. Aber auch künstlerische Möglichkeiten? Ich glaube es ist soweit, ich glaube die neue Berliner Schauspielerin kommt, ich glaube, die Berliner Range verklärt sich, ohne deshalb ihre Eigenart aufzugeben, zu einem weiblichen Menschen. Die beiden stärksten Andeutungen dafür, dass dieser gar nicht unwichtige Prozess im Werden ist, geben Lucie Mannheim und Grete Mosheim. Sie stammen beide aus dem jüdischen Berlin.«

»Eine ungewöhnlich einfache und gradlinige, eine merkwürdig solid-bürgerliche Laufbahn beim Theater«, attestierte Julius Bad der Schauspielerin. Aber es blieb nicht beim Theaterspielen: 1924 trat Grete Mosheim erstmals in einem Film auf. Es folgten bis 1933 über 20 weitere Filme, darunter 1930 der Film »Cyankali«, der den Paragraphen 218 anprangerte und der als »Skandal« verboten wurde. Die NS-Diktatur zwang Grete Mosheim in die Emigration. Sie ging 1934 nach Österreich, von dort nach Großbritanien und 1938 in die USA. 1941 spielte sie am Broadway Theater und gründete mit anderen eine deutsprachige Bühne, die »Players from Abroad«.
Grete Mosheim war dreimal verheiratet: von 1928 bis 1933 mit ihrem Kollegen Oskar Homolka, von 1937 bis 1947 mit dem Industriellen Howard Gould, mit dem sie 1938 in die USA ging, und seit 1951, in dritter Ehe, mit dem Journalisten Robert Cooper. Anfang der 1950er Jahre kam Grete Mosheim wieder nach Deutschland und war von neuem erfolgreich. In Berlin spielte sie meistens im Renaissance Theater. Aber ihre Besuche waren nur »Gastspiele«, ihr Wohnsitz blieb New York. Dort starb sie am 29. Dezember 1986.
»Den Ort nennend, in dem die Tochter eines Sanitätsrates aus Berlin-Kreuzberg gestorben ist, spüren wir anderen Schmerz, tieferen Verlust.«
- Eine Wahlheimat war New York nicht. Grete Mosheim war aus Deutschland vertrieben worden.


Quellen
Gekürzte Fassung aus: Dietlinde Peters, »…und keiner kriegt mich einfach krumm gebogen…«, herausgegeben vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum, BERLIN STORY VERLAG 2014