Mathilde von Hofstetten, geb. Schulz

Dresdenerstr. 127, Foto: I.Mason
(geb. am 12.07.1847, gest. 1929 in Berlin), SPD-Funktionärin

»WAS HABE ICH DENN BESONDERES GETAN? «

In einer Hofwohnung in der Nähe des Kottbusser Tores, in der Dresdener Straße 127, wohnte Anfang der 1890er Jahre die Witwe Mathilde von Hofstetten, geborene Schultz. Sie war eine der vielen heute vergessenen Frauen der Arbeiterbewegung des Kaiserreichs.

Geboren am 12. Juli 1847, in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und von Beruf Näherin, hatte Mathilde Schultz um 1870 den verarmten Exleutnant Johann-Baptist von Hofstetten kennen gelernt und war seine zweite Ehefrau geworden. Der bayerische Adelige hatte den Militärdienst freiwillig quittiert und war Anfang der 1860er Jahre nach Berlin gekommen. Er war Anhänger und Freund von Lassalle und Mitherausgeber und Financier des Blattes Der Socialdemokrat, Sprachrohr des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Von seinem politischen Schicksal, von der Tragödie seines Lebens – Verarmung und Krankheit – kann erfahren, wer will.

Der sozialdemokratische Vorwärts schrieb am 12. Juni 1927 zum achtzigsten Geburtstag Mathilde von Hofstettens: »Wohlvertraut ist der alten Generation ihr Name…(…).«
So war (und blieb) sie vor allem die »tapfere Gefährtin« ihres Mannes, eine zudem durch den Ehemann politisierte »Frau aus dem Volke«. – Ein Jahr später, am 21. Oktober 1928, war im Vorwärts allerdings zu lesen, dass Mathilde von Hofstetten schon als junges Mädchen »ein lebhaftes Interesse für öffentliche Fragen« gezeigt hatte. Wie auch immer: Die Spuren, die sie in der Parteipresse hinterlassen hat, erzählen von einem äußerst aktiven Frauenleben, ein Leben an der Parteibasis. Sie hat »in Reih und Glied tapfer und treu gearbeitet, Versammlungen geleitet, Ämter verwaltet, Vorträge gehalten, die der Verbesserung der Lage der arbeitenden Frau galten« (Vorwarts 1928).

So wurde Mathilde von Hofstetten Mitglied im 1875 von Pauline Staegemann und anderen Frauen gegründeten Arbeiterfrauen- und Mädchen-Verein, zu dem auch Margarethe Wengels gehörte. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1887 wurde sie dann eine der führenden Berliner Sozialdemokratinnen und Gewerkschaftlerinnen: »Kaum war sie in der ersten Versammlung aufgetreten, so betraute man sie schon mit dem ersten Amt, dem im Laufe des Jahres sieben andere folgten« (Vorwärts 1928).

Mathilde von Hofstetten warb unter den Frauen für den entstehenden Sanitätsverein der Arbeiter (aus dem dann der Arbeiter-Samariter-Bund werden sollte, Gründerinnen, Gründer und erste Mitglieder wohnten in ihrer Nachbarschaft), und seit Februar 1890 stand sie »an der Spitze« der neu gegründeten Damenabteilung. 1891 war sie neben Emma Ihrer Delegierte für Berlin auf dem Erfurter Parteitag, 1892 war sie Delegierte auf dem Parteitag in Berlin. 1891 engagierte sie sich auch für die gewerkschaftliche Organisation der Kellnerinnen und leitete 1896 das Streikbüro im Ausstand der Schneider und Näherinnen. 1899 war sie eine der Gründerinnen des Vereins der Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse.

Mathilde von Hofstetten lebte zuletzt in einem Altersheim der Lange-Schucke-Stiftung in der Reinickendorfer Straße im Berliner Bezirk Wedding. Noch 1920, mit über 70 Jahren, war sie Funktionärin ihrer SPD-Abteilung. Zum 80. Geburtstag im Jahre 1927 gratulierte der Vorwärts „der alten Kämpferin“. Am 28. November 1929 ist Mathilde von Hofstetten im Rudolf-Virchow-Krankenhaus gestorben. Als im Dezember 1929 auf der Funktionärinnenkonferenz der Berliner SPD die Reichstagsabgeordnete Mathilde Wurm über die Verstorbene sprach, hörten die anwesenden Frauen stehend zu.


Quellen
Gekürzte Fassung aus: Dietlinde Peters, »…und keiner kriegt mich einfach krumm gebogen…«, herausgegeben vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum, BERLIN STORY VERLAG 2014