Dora Benjamin

Dora Benjamin, wikimedia, gemeinfrei (GFDL)
(geb. am 30.04.1901 in Berlin-Charlottenburg, gest. 1946 in Zürich), Ärztin

EINE VERTRIEBENE SOZIALWISSENSCHAFTLERIN

Im Jahre 1930 arbeitete in der kommunalen Fürsorgestelle für Drogenkranke am Kreuzberger Gesundheitshaus die Nationalökonomin Dr. Dora Benjamin. Das Städtische Gesundheitshaus Am Urban 10 hatte 1925 seine Pforten geöffnet. Hier arbeitete die Gesundheitsfürsorge des neuen Bezirks Kreuzberg (…).

Dora Benjamin, geboren am 30. April 1901 in der damals noch selbständigen Stadt Charlottenburg als Tochter des Kaufmanns Emil Benjamin und seiner Ehefrau Pauline, geborene Schönflies, war die jüngere Schwester des Schriftstellers und Philosophen Walter Benjamin (1892-1940 Freitod) und des Weddinger Arztes Dr. Georg Benjamin (1895-1942 KZ Mauthausen).

Dora Benjamin wuchs im Grunewald auf und besuchte die Gymnasialkurse für Mädchen von Helene Lange. Sie studierte an den Universitäten von Berlin, Jena und Greifswald Nationalökonomie und promovierte 1925 in Greifswald "Über die soziale Lage der Berliner Konfektionsheimarbeiterinnen unter besonderer Berücksichtigung der Kinderaufzucht". Ihr zentrales Argument…betraf die "versteckte" Mitarbeit der Kinder.

In Kreuzberg beteiligte sich Dora Benjamin an der Arbeit der sozialistischen Gesundheitspolitiker und Ärzte um Ernst Joel, bis zu dessen Tod im August 1929, und Fritz Fränkel. Bereits ein Jahr vor ihrer Anstellung hatte sie sich an einer Ausstellung im Gesundheitshaus "Am Urban" zum Thema "Gesunde Nerven" beteiligt. (…) Mit Fränkel, dem sie auch privat verbunden war, schrieb Dora Benjamin dann in den kommenden Jahren eine Reihe von Aufsätzen zum Thema Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit.

Im August 1933 floh Dora Benjamin nach Frankreich und engagierte sich in Paris in der "Assistence medicale aux Enfants de Refugies", gegründet von der ebenfalls aus Berlin geflüchteten Hanna Grunwald-Eisfelder. Im Mai 1940 wurde sie in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen transportiert. Nach ihrer Entlassung wartete Dora Benjamin – wie so viele – auf ein Visum für die USA. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das bis dahin unbesetzte Südfrankreich im November 1942 konnte Dora Benjamin in die Schweiz flüchten. Nach neun Jahren im Exil erreichte sie im Dezember 1942 als kranke Frau ohne jedes Gepäck ihr letztes Zufluchtsland. Auch hier arbeitete sie wieder für Flüchtlingsorganisationen und begann, auf eine Zukunft in den USA zu hoffen. "Denn ich hoffe, nach dem Krieg in Amerika arbeiten zu können", schrieb sie im Juni 1943 in einem Brief. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Im Juni 1946 starb Dora Benjamin in Zürich an Krebs.


Quellen
Gekürzte Fassung aus: Dietlinde Peters, »…und keiner kriegt mich einfach krumm gebogen…«, herausgegeben vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum, BERLIN STORY VERLAG 2014